Abmahnungen sind in der täglichen Praxis ein häufig auftauchendes Problem. Der Arbeitgeber ist mit dem Verhalten des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz nicht einverstanden. Um dies dem Arbeitnehmer deutlich zu machen und auch um ihm klarzumachen, dass der Arbeitgeber eine Wiederholung dieses Verhaltens nicht sanktionslos hinnehmen will, kann er eine Abmahnung aussprechen. Die Abmahnung dient insbesondere dazu, um eine spätere verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten. Allerdings sind bei der Abmahnung bestimmte Regeln zu beachten:
Der Arbeitgeber muss seine Abmahnung so formulieren, dass für den Arbeitnehmer deutlich wird, was der Arbeitgeber ihm überhaupt vorwirft. Außerdem muss der Arbeitgeber deutlich machen, dass er für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen ankündigt und gegebenenfalls sogar der Bestand des Arbeitsverhältnisses in Gefahr ist (BAG 18. 1. 1980 AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 3 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7 m.Anm. Peterek:“ = DB 1980, 1351; LAG Köln 6. 8. 1999 NZA-RR 2000, 24 = ARST 2000, 93 Ls.; Conze „ZTR 1993, 312 ff.; ZTR 1997, 342 ff.). Die Abmahnung muss daher
- das Verhalten des Arbeitnehmers klar und deutlich bezeichnen (Dokumentationsfunktion),
- dem Arbeitnehmer klar vor Augen führen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten als vertragswidrig ansieht (Hinweisfunktion), und
- den Arbeitnehmer vor einer Wiederholung warnen und ihm gleichzeitig klarmachen, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sein kann (Warn- bzw. Ankündigungsfunktion).
Fehlt in der Abmahnung eine der genannten drei Punkte, ist die Abmahnung bereits aus formellen Gründen unwirksam. Hier werden von Arbeitgebern auch sehr häufig Fehler gemacht.
Außerdem sind noch folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
- Vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung bei Pflichtverletzungen im Verhaltens- und Leistungsbereich, ist eine vergebliche Abmahnung erforderlich (BAG 17. 2. 94 – 2 AZR 616/93, NZA 94, 656). Dies gilt nicht bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich (BAG 10. 11. 88, NZA 89, 633). Eine Abmahnung im Vertrauensbereich ist nur dann erforderlich, wenn es um ein Verhalten des Arbeitnehmers geht, das er steuern kann und durch die Abmahnung das Vertrauen wieder hergestellt werden könnte (BAG 4. 6. 97 – 2 AZR 526/96, NZA 97, 1281),
- Auch ein außerdienstliches vertragswidriges Verhalten ist abzumahnen, bevor der Arbeitgeber hierauf eine Kündigung stützen möchte.
- Bei personenbedingten Störungen, z.B. lange Krankheit oder altersbedingter Leistungsabfall, kommt eine Abmahnung nicht in Frage, weil diese Störungen nicht vom Willen des Arbeitnehmers abhängig sind.
- Eine Abmahnung ist immer dann entbehrlich, wenn sie keinen Erfolg verspricht (BAG 2. 94, NZA 94, 656), oder wenn der Verstoß so schwer ist, dass es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis weiter fortzuführen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der betreffende Arbeitnehmer eine Straftat zulasten des Arbeitgebers oder eines anderen Arbeitskollegen begangen hat.
Haben Sie eine Abmahnung erhalten oder möchten Sie eine solche aussprechen, werden wir Sie hier gerne beraten.
Auch wenn es richtig ist, dass normalerweise die Bezahlung der Arbeit im Vordergrund steht, ist es doch auch so, dass die Arbeit Spaß machen kann oder daß die Arbeit für den Arbeitnehmer ein wichtiger Faktor seiner Persönlichkeit ist. Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer kaum deutlicher vor Augen führen, dass er von der Leistung des Arbeitnehmers nichts hält, indem er ihn zwar bezahlt, ihm aber gleichzeitig sagt, dass er zu Hause bleiben soll.
Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung dem Arbeitnehmer nicht nur seinen selbstverständlichen Lohnanspruch zuerkannt, sondern auch den Beschäftigungsanspruch, der mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht begründet wird.
Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer auch vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Betonung liegt hier auf „vertragsgemäß“, was bedeutet, dass der Arbeitgeber auch daran gehindert ist, den Arbeitnehmer, bei unveränderter Bezahlung, mit „niederen Tätigkeiten“ zu beschäftigen.
Diese Pflicht des Arbeitgebers, ergibt sich einerseits aus dem Arbeitsvertrag, sowie der „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers (BAG 27. 2. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (unter C 2 u. 3) ).
Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers hat insbesondere im Rahmen einer Freistellung, die auch im Zusammenhang mit einer Kündigung ausgesprochen wurde, Bedeutung (siehe auch: „Freistellung“).
Haben Sie Probleme wegen Ihrer Beschäftigung? Wir beraten Sie gerne auch zu diesem Thema.
Dienstfahrzeug
Ein Dienstfahrzeug, welches der Arbeitnehmer auch privat nutzen kann, stellt einen Lohnbestandteil dar. Aus diesem Grunde muss der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil dieser Nutzung auch versteuern. Insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen und Freistellungen (siehe auch: „Freistellung“), gibt es immer wieder Auseinandersetzungen darüber, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, das Dienstfahrzeug auch schon während der Freistellungsphase oder erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitnehmer zurück zu verlangen.
Bei Fahrzeugen, die der Arbeitnehmer nicht zu privaten Zwecken nutzen darf, taucht dieses Problem nicht auf, weil der Arbeitgeber selbstverständlich immer berechtigt ist, ein solches Fahrzeug jederzeit, auch im ungestörten Arbeitsverhältnis, von dem Arbeitnehmer zurück zu verlangen. Dies gilt übrigens auch in Bezug auf sämtliche sonstigen Gegenstände, die dem Arbeitgeber gehören, wie zum Beispiel Computer oder Handy. Auch diese Gegenstände darf der Arbeitgeber jederzeit von dem Arbeitnehmer zurückfordern. Er muss diese Zurückforderung noch nicht einmal begründen.
Bei Fahrzeugen, die der Arbeitnehmer privat nutzen darf, sieht dies vollkommen anders aus.
Zum Arbeitsentgelt gehören auch Sachleistungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 23. 6. 2004 AP BetrVG 1972 § 37 Nr 139) wird in der Freistellungsphase ein Dienstfahrzeug ein reines Privatfahrzeug. Für den Verdienstbegriff kommt es auf die arbeitsvertragliche geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers an (BAG 29. 1. 1971 AP BGB § 611 Anwesenheitsprämie Nr. 2). Der maßgebliche Gesamtverdienst setzt sich aus den festen Bezügen (Bruttoverdienst) einschließlich übertariflicher Zulagen und Zuschlägen zusammen. Sachbezüge wie freie Wohnung oder Verpflegung, zur Privatnutzung überlassenes Dienstfahrzeug sind auch bei Freistellungen grds. weiter zu gewähren, ebenso vermögenswirksame Leistungen.
Der Widerruf der Erlaubnis zur Nutzung während der Freistellungsphase nach einer Kündigung ist nur dann zulässig, wenn dem Arbeitnehmer im Falle des Widerrufs ein Ausgleich gezahlt wird. Außerdem muss eine solche Widerrufsmöglichkeit bereits im Arbeitsvertrag geregelt sein. Hier ist auch erforderlich, dass geregelt ist, wie der Ausgleich für den Fall des Widerrufs berechnet ist. (BAG 8. 11. 1994 AP HGB § 74c Nr. 17; Schaub/Schaub § 58 Rn. 76; Dombrowski/Zettelmeyer NZA 1995, 155).
Entzieht der Arbeitgeber den Dienstwagen rechtswidrig und schuldhaft, ist er dem Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet (MünchHdbArbR/Hanau § 70 Rdnr. 13. ).
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Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Haben Sie Fragen zu dem Thema Dienstwagen, beraten wir Sie hierzu gerne.
Die Freistellung ist die (vorübergehende oder dauerhafte) Suspendierung der Arbeitspflicht, gem. § 611 BGB der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis. Da dem Arbeitnehmer nicht nur ein Anspruch auf Lohnzahlung gegenüber dem Arbeitgeber zusteht, sondern er auch einen Anspruch auf Beschäftigung (siehe auch: „Beschäftigungspflicht“) gegen den Arbeitgeber hat, ist die Freistellung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Die einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber, ist nur in Ausnahmefällen zulässig:
- Bei Unmöglichkeit der Beschäftigung, z.B. aus betriebsbedingten Gründen (BAG 18.3.1999 – 8 AZR 344/98, ZTR 1999, 516).
- Die Unzumutbarkeit der Beschäftigung, wenn das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Dies setzt aber nach hM eine erhebliche Gefährdung für die Ordnung des Betriebs oder die Gefahr schwerer Vertragsverletzungen voraus (ErfK/Preis § 611 BGB Rn 563 mwN).
Da die Arbeitspflicht dispositiv ist, ist eine einvernehmliche Freistellungsvereinbarung zulässig (LAG Hamm 11.10.1996 – 10 Sa 104/96, NZA-RR 1997, 287).
Besonderheiten einer Freistellungsvereinbarung im Formularvertrag:
Freistellungsklauseln sind weit verbreitet. Ein völlig uneingeschränkter Freistellungsvorbehalt wird als unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB angesehen, da er den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers vollständig aushebelt, ohne das erkennbar wäre, welche anerkennenswerten Interessen des Arbeitgebers die Freistellung rechtfertigen könnten (ErfK/Preis § 611 BGB Rn 568; Gaul/Bonnani/Niklas, ArbRB 2008, 149). Ob und unter welchen Voraussetzungen der Freistellungsvorbehalt für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden kann, ist umstritten. Ein Freistellungsvorbehalt darf zu keiner Verringerung der Vergütung führen (LAG Hamm 11.10.2011 – 14 Sa 543/11, BeckRS 2011, 77471).
Es ist zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung zu unterscheiden. Bei der widerruflichen Freistellung behält sich der Arbeitgeber vor, den Arbeitnehmer wieder zur Arbeit zu rufen, während dies bei unwiderruflicher Freistellung nicht mehr geht, so dass die Arbeitspflicht in diesem Fall nur einvernehmlich wieder begründet werden kann. Ob eine Freistellung widerruflich ist, muss durch Auslegung festgestellt werden.
Durch die Freistellung verliert der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch nicht. Dies betrifft nicht nur die tatsächlich geleistete Vergütung, sondern auch andere Lohnbestandteile, wie insbesondere ein Dienstfahrzeug, welches der Arbeitnehmer auch privat nutzen darf. Die Erlaubnis zur Nutzung eines solchen Fahrzeugs ist ein Lohnbestandteil. Hier gibt es sehr häufig Probleme, weil immer wieder versucht wird, das Dienstfahrzeug ab Beginn der Freistellung dem Arbeitnehmer wieder zu entziehen. Dies ist grundsätzlich unzulässig.
Probleme gibt es auch häufig wegen des Anspruch auf Erholungsurlaub während einer Freistellung. Die bloße Freistellung führt nicht dazu, dass gleichzeitig anderweitige Freizeit- oder Urlaubsansprüche erfüllt werden (BAG 9.6.1998 – 9 AZR 43/97, NZA 1999, 80). Die Erteilung von Urlaub muss klar und deutlich erklärt werden, etwa indem der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist „beurlaubt“ oder indem die Anrechnung des Urlaubs auf die Freistellung ausdrücklich erklärt wird (BAG 14.8.2007 – 9 AZR 934/06, NZA 2008, 169; Formulierungsvorschläge bei Schiefer in: VertragsgestaltungArbR § 1 Rn 3192).
Auch muss die Freistellungserklärung klar und deutlich zum Ausdruck bringen, in welchem Umfang der Urlaubsanspruch erfüllt werden soll und welcher Urlaub wie angerechnet wird. (BAG 17.5.2011 – 9 AZR 189/10, NZA 2011, 1032, zur jahresübergreifenden Freistellung). Von besonderer Bedeutung ist hier aber, dass eine Anrechnung von Urlaub auf die Freistellung nur dann möglich ist, wenn die Freistellung unwiderruflich erklärt wird. Hier gilt das oben Gesagte.
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Ein sehr großes Betätigungsfeld in der anwaltlichen Praxis eines Arbeitsrechtlers sind Beendigungen des Arbeitsverhältnisses. Arbeitsverhältnisse können durch
- Zeitablauf,
- Aufhebungsvereinbarung, oder
- Kündigung
Beendet werden. Den Hauptfall der Beendigung stellt der Zeitablauf, regelmäßig mit Eintritt in die Altersrente dar. Bei Aufhebungsvereinbarungen, die von Abwicklungsvereinbarungen zu unterscheiden sind (bei der Aufhebungsvereinbarung wird das Arbeitsverhältnis durch die Vereinbarung beendet. Bei der Abwicklungsvereinbarung ist das Arbeitsverhältnis durch einen anderen Beendigungstatbestand, also Kündigung oder Zeitablauf beendet und mit der Vereinbarung werden lediglich die Bedingungen zur Abwicklung geregelt) und Kündigungen wird das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet. Die Initiative kann in beiden Fällen von Seiten des Arbeitgebers oder von dem Arbeitnehmer kommen.
Schriftformerfordernis:
Was man erstaunlicherweise immer wieder erlebt, ist das eine Kündigung mündlich ausgesprochen wird, zum Beispiel weil sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz nicht ordnungsgemäß verhält und daher nach Hause geschickt wird. Die Gefahr für den Arbeitgeber besteht hierbei darin, dass er weiterhin Lohn schuldet, ohne dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist seine Dienste anzubieten. Kündigungen und Auflösungsvereinbarungen bedürfen der Schriftform (§ 623 BGB). Eine Kündigung, die nicht schriftlich, ist nichtig. Sie muss noch nicht einmal gerichtlich angegriffen werden. Schriftform ist von der sogenannten Textform zu unterscheiden. Die Schriftform verlangt ein vom kündigungsberechtigten unterzeichnetes Originalschriftstück, aus dem hervorgehen muss, dass der kündigende das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden möchte. Es muss nicht Kündigung darüber stehen. Textform genügen zum Beispiel Telefax oder E-Mail. Beides ist nicht ausreichend.
Kündigung im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes:
Während die Kündigungen durch einen Arbeitnehmer nur wenig reglementiert sind, sie dies bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber vollkommen anders aus. Hier ist insbesondere zu unterscheiden, ob der Betrieb, bei dem der Arbeitnehmer arbeitet, dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterliegt oder nicht. Das Kündigungsschutzgesetz ist dann anwendbar, wenn in dem Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter (Vollzeit) beschäftigt sind. Dies bedeutet nicht, dass in diesem Betrieb elf Arbeitnehmer Vollzeit arbeiten müssen. Auf diese Zahl kann man auch kommen, in dem dort 21 Halbtagskräfte arbeiten.
Während bei einer Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes für den Arbeitgeber, außer Sittenwidrigkeit und Verstoß gegen Treu und Glauben, quasi keine Schranken bestehen, ist eine Kündigung im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes für den Arbeitgeber unter Umständen sehr schwierig.
Dies beginnt damit, dass der Kündigung ein Kündigungsgrund im Sinne von § 1 II KSchG zugrunde liegen muss. Ist dies nicht der Fall, ist die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und somit unwirksam. Die Kündigungsgründe im Sinne von § 1 II KSchG sind:
- Personenbedingter Kündigungsgrund
- Verhaltensbedingter Kündigungsgrund
- Betriebsbedingter Kündigungsgrund
Liegt keine dieser Kündigungsgründe vor, ist die Kündigung unwirksam.
Personenbedingte Kündigung:
Voraussetzung einer Kündigung aus personenbedingten Gründen ist eine vom Arbeitnehmer unverschuldete Störung der Vertragsbeziehung dadurch, dass er auf Grund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbarer Einstellungen nicht mehr in der Lage ist, künftig eine vertragsgemäßee Leistung zu erbringen (BAG 28.2.1990, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25; 18.1.2007, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26) und ferner eine Negativprognose vorliegt, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit einem Anhalten der Störung zu rechnen ist. Diese Störung muss erhebliches Gewicht haben und die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers müssen hierdurch erheblich beeinträchtigt sein, da die Kündigung letztes Mittel ist. Dementsprechend darf eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens, nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder mit Einverständnis des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen nicht möglich sein. Wichtigster Fall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung.
Verhaltensbedingte Kündigung:
Eine solche Kündigung ist gerechtfertigt, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG 16.9.2004, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50). Anders als bei der personenbedingten Kündigung ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten „begangen“ hat. Dabei kann es sich um irgendeine Vertragspflicht handeln. Die Vertragspflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Auch hier ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich, weshalb abgeschlossene Pflichtverletzungen die Kündigung nicht rechtfertigen. Allerdings können solche Störungen die Prognose rechtfertigen, dass das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft nicht störungsfrei verlaufen wird. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer, trotz einschlägiger Abmahnung (siehe auch: „Abmahnung“) seine Pflichtverletzungen wiederholt. Auch diese Kündigung muss letztes Mittel sein und der Arbeitgeber muss auch hier eine Interessenabwägung vornehmen, die aber in aller Regel zu Lasten des Arbeitnehmers ausfällt, weil er schuldhaft gehandelt haben muss und er es durch ein von ihm steuerbares Verhalten in der Hand gehabt hätte, Vertragspflichtverletzungen zu verhindern.
Betriebsbedingte Kündigung:
Bei der betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung getroffen haben, die zum dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes führt, wobei die dieser unternehmerischen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen tatsächlich gegeben sein müssen und die Entscheidung nicht gegen höherrangiges Recht (Gesetz, Tarifvertrag etc) verstoßen und nicht missbräuchlich sein darf. Der Arbeitsplatz muss tatsächlich wegfallen, wobei die unternehmerische Entscheidung für den Wegfall des Arbeitsplatzes ursächlich geworden sein und die Prognose ergeben muss, dass der Arbeitsplatz spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist wegfällt. Mildere Mittel (z.B. eine Änderungskündigung) dürfen dem Arbeitgeber zur Umsetzung seines unternehmerischen Konzeptes nicht zur Verfügung gestanden haben und der Arbeitnehmer muss schließlich bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt haben, wobei auch betriebliche Belange mit berücksichtigt werden dürfen.
Sozialauswahl:
Schließlich und endlich muss der Arbeitgeber, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung, die sog. Sozialauswahl durchführen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Hierbei muss der Arbeitgeber die soziale Auswahl anhand der vier im Gesetz genannten Sozialdaten (Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung des Arbeitnehmers) treffen, darf hiervon aber bestimmte Leistungsträger ausnehmen. Das Gesetz fordert eine „ausreichende“ Berücksichtigung der Sozialdaten. Im Prozess kann die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüft werden, wenn sie auf einem kollektivvertraglich vereinbarten Punkteschema beruht oder die Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich mit Namensliste bezeichnet sind.
Besonderheiten bei einem existierenden Betriebsrat:
Existiert in dem Betrieb, in welchem der Arbeitnehmer gekündigt werden soll ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber, vor Ausspruch jeder Kündigung gegenüber betriebszugehörigen Arbeitnehmern, (nicht bei leitenden Angestellten), den Betriebsrat anhören. Diese Pflicht betrifft auch Kündigungen in der Probezeit oder außerhalb des KSchG sowie bei ausländischem Vertragsstatut (BAG 8.9.1988, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 49; 9.11.1977), außerordentliche Kündigungen und Änderungskündigungen. Der Arbeitgeber muss bei einer Anhörung sämtliche Kündigungsgründe aus seiner Sicht, die Sozialdaten und die Sozialauswahl mitteilen. Unterbleibt die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung, oder ist die Anhörung fehlerhaft, so ist die Kündigung unheilbar nichtig, § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG.
Der Betriebsrat muss vor Ausspruch der Kündigung lediglich gehört werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zustimmt. Widerspricht der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung allerdings, steht dem Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzverfahrens zu (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Voraussetzung hierfür ist, dass der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung widersprochen hat, der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat, verbunden mit dem Antrag auf Weiterbeschäftigung. Dieser Antrag kann auch im Wege eines Eilverfahrens gestellt werden.
Was ist bei einer Kündigung zu tun?
Erhält der Arbeitnehmer eine Kündigung, gegen die er sich zur Wehr setzen möchte, muss er innerhalb von drei Wochen, ab Zugang der Kündigung, Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben haben. Ausschlaggebend ist hierbei der Eingang der Kündigungschutzklage bei dem Gericht (§ 4 S. 1 KSchG). Bei der Klagefrist handelt es sich um eine prozessuale Klageerhebungsfrist mit materiellrechtlicher Wirkung (grundlegend BAG 26.6.1986, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 14 = NZA 1986, 761).
Die Ausschlussfrist gilt nur bei Vorliegen einer unwirksamen Kündigung. Bei einer nichtigen Kündigung oder bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus sonstigem Grund (Befristung, Aufhebungsvereinbarung) greift die Ausschlussfrist nicht.
Es ist äußerst wichtig, auf die Einhaltung dieser Frist zu achten, weil ein Angriff gegen die Kündigung nach Ablauf dieser Frist quasi nicht mehr möglich ist. Die Gerichte sind bei einer nachträglichen Zulassung sehr zurückhaltend. Haben Sie daher eine Kündigung erhalten, sollten Sie schnellstens einen Rechtsanwalt, wenn möglich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Haben Sie Fragen zu dem Thema Kündigung, beraten wir Sie hierzu gerne.
Sehr viele Arbeitnehmer arbeiten in Teilzeit. Teilzeit Arbeitnehmer sind solche Arbeitnehmer die zeitlich weniger als Vollzeit arbeiten. Insbesondere Frauen arbeiten in Teilzeitarbeitsverhältnissen. Daher dürfen Arbeitnehmer in Teilzeit auch nicht gegenüber solchen Arbeitnehmern, die Vollzeit arbeiten benachteiligt werden, weil dies sonst zu einer indirekten Frauendiskriminierung führen würde. Bezahlt ein Arbeitgeber für Vollzeitkräfte, die die gleiche Tätigkeit wie Teilzeitkräfte ausüben, einen höheren Lohn, stellt bereits dies eine solche Diskriminierung dar und ist rechtswidrig.
Minijobber:
Auch Minijobber sind Teilzeitarbeitnehmer und haben daher auch die gleichen Rechte wie alle anderen Arbeitnehmer. Besonderheiten bestehen hier lediglich im Bereich des Sozialversicherungsrechtes.
Begründung von Teilzeitarbeitsverhältnissen:
Teilzeitarbeitsverhältnisse können bereits von Anfang an als solche begründet werden. Es ist aber auch möglich, dass der Arbeitnehmer einseitig verlangt, dass seine Arbeitszeit reduziert wird. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer in Vollzeit arbeitet. Auch ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis kann einseitig reduziert werden (siehe auch: „Teilzeitbegehren“).
Teilzeit und Urlaub:
Da Arbeitnehmer, die in Teilzeit beschäftigt sind die gleichen Ansprüche haben wie solche Arbeitnehmer die in Vollzeit arbeiten, steht Ihnen der Urlaubsanspruch in gleicher Weise zu, wie es bei Arbeitnehmern in Vollzeit der Fall ist. Es besteht häufig immer noch die fehlerhafte Ansicht, dass Arbeitnehmer in Teilzeit, insbesondere Minijobber, geringere oder überhaupt keine Urlaubsansprüche haben. Dies ist unzutreffend. Das Bundesurlaubsgesetz stellt den Mindeststandard dar, der für Urlaubsansprüche in allen Arbeitsverhältnissen gilt. Das Bundesurlaubsgesetz geht von einem Urlaub von vier Wochen pro Jahr aus. Der im Gesetz normierte Urlaubsanspruch von 24 Tagen bezieht sich auf eine 6-Tage Woche. Wird die Arbeit an fünf Tagen pro Woche erledigt, beträgt der Urlaubsanspruch lediglich 20 Tage pro Jahr. Auf diese Weise lässt sich der Urlaubsanspruch für eine teilzeitbeschäftigte Person errechnen. Arbeitet zum Beispiel ein Minijobber nur an einem Tag in der Woche, stehen ihm insgesamt vier Tage Urlaub pro Jahr zu, womit wieder vier Wochen Urlaub erreicht werden. Von erheblicher Bedeutung ist hier die Lage der Arbeitszeit. Wird die Teilzeitarbeit halbtags erledigt, also bei 20 Stunden pro Woche jeweils vormittags 4 Stunden, stehen dem Teilzeitarbeitnehmer, so wie einem Arbeitnehmer in Vollzeit, 20 Tage Urlaub pro Jahr zu. Wird die gleiche Stundenzahl an drei Tagen abgearbeitet, reduziert sich der Urlaubsanspruch auf 12 Tage Urlaub pro Jahr. Auch hier werden wieder vier Wochen Urlaub ermöglicht.
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Haben Sie Fragen zu dem Thema Teilzeitarbeit, beraten wir Sie hierzu gerne.
Ein Teilzeitarbeitsverhältnis kann direkt bei Vertragsbeginn als solches begründet werden. Da es aber immer wieder Gründe dafür geben kann, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduzieren möchte, zum Beispiel die Erziehung von Kindern, ist es auch möglich, dass der Arbeitnehmer einseitig von dem Arbeitgeber verlangt, dass die Arbeitszeit reduziert wird. Hierbei ist es unerheblich, ob sich der Arbeitnehmer bereits in einem Teilzeitarbeitsverhältnis befindet oder in Vollzeit arbeitet. Die wesentlichen Vorschriften, die ein solches Teilzeitbegehren regeln finden sich im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), sowie im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
15 Abs. 5 BEEG:
Anders als bei Elternzeit, die von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig ist, ist dies bei Elternteilzeit anders, weil es hier um einen Anspruch auf Vertragsänderung geht. Elternzeit und Elternteilzeit beruhen auf voneinander zu unterscheidenden Rechtsgrundlagen und bilden keinen einheitlichen, nur durch den Umfang des Verringerungswunsches modifizierten Elternzeitanspruch (BAG 15.4.2008, AP BErzGG § 15 Nr. 50). Ein Antrag auf Elternteilzeit kann von dem Arbeitnehmer auch noch nach der Inanspruchnahme von Elternzeit unter zunächst völliger Freistellung gestellt werden (BAG 9.5.2006, AP BErzGG § 15 Nr. 47; 19.4.2005, AP BErzGG § 15 Nr. 44).
Die Voraussetzungen für einen Teilzeitanspruch nach § 15 BEEG sind:
- Der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer in seinem Unternehmen, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung.
- Der Arbeitnehmer hat eine Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten bei dem Arbeitgeber. Abzustellen ist auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht auf die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung.
- Die Verringerung muss für mindestens zwei Monate beansprucht werden. Der Beschäftigungsumfang muss mindestens 15 und höchstens 30 Stunden betragen.
- Es dürfen keine dringenden betrieblichen Gründe dem Teilzeitbegehren entgegenstehen.
- Der Antrag auf Elternteilzeit muss spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich gestellt werden, sofern der Beginn der Elternteilzeit vor dem vollendeten dritten Lebensjahr liegt. Die Verteilung der Arbeitszeit muss vom Arbeitnehmer im Antrag nicht angegeben werden, was aber immer sinnvoll ist.
- Der Arbeitgeber kann den Antrag, so wie gestellt, oder auch unter Abänderungen Will der Arbeitgeber den Antrag ablehnen, muss er die beanspruchte Verringerung der Arbeitszeit innerhalb von vier bzw. acht Wochen nach Zugang des schriftlichen Verlangens mit ebenfalls schriftlicher Begründung ablehnen. Reagiert der Arbeitgeber auf den Antrag nicht, wird sein Schweigen als Zustimmung behandelt.
8 TzBfG:
- 15 BEEG ist eine Sondervorschrift, die nur drei Jahre nach Geburt eines Kindes in Anspruch genommen werden kann. Da es aber auch andere Gründe gibt, aus denen der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduzieren möchte, das kann übrigens auch die weitere Erziehung des Kindes, nach Ablauf der dreijährigen Elternzeit sein, wird Arbeitnehmern die Möglichkeit eines Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG eingeräumt. Besonders interessant ist hierbei, daß der Arbeitnehmer die Zustimmung zur Änderung des Arbeitsvertrages mit dem Inhalt einer Neuvereinbarung der Arbeitszeit fordert, er also sowohl einen Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit als auch auf Verteilung der danach verbleibenden Arbeitszeit entsprechend seiner Wünsche hat. Es geht also nicht nur um den Umfang der Herabsetzung der Arbeitszeit, sondern auch über die Neuverteilung seiner Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer kann also bei einer nur geringfügigen Reduzierung seiner Arbeitszeit und eine bestimmte Verteilung der reduzierten Arbeitszeit verlangen (BAG 11.6.2013, NZA 2013, 1074).
Die Voraussetzungen für einen Teilzeitanspruch nach § § 8 TzBfG sind:
- Der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer in seinem Unternehmen, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung.
- Der Arbeitnehmer hat eine Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten bei dem Arbeitgeber. Abzustellen ist auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht auf die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung.
- Der Antrag muss inhaltlich ausreichend bestimmt sein, so dass der Arbeitgeber ihn nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten braucht (BAG 4.2008, NZA 2008, 998 (zu § 15 BEEG); 16.10.2007, NZA 2008, 289; 18.5.2004, NZA 2005, 108 (111)).
- Der Antrag muss ein kalendermäßig bestimmtes oder bestimmbares Datum für den Beginn der Verringerung enthalten (MHH Rn. 33).
- Der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit muss vom Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn geltend gemacht werden.
- Es dürfen keine betrieblichen Gründe dem Teilzeitbegehren entgegenstehen.
- Der Arbeitgeber muss spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der neuen Arbeitszeit entweder seine Zustimmung oder seine Ablehnung mitteilen. Der Arbeitgeber muss seine Entscheidung nicht begründen (BAG 2.2003, NZA 2003, 911 (912)).
- Die Mitteilung muss schriftlich erfolgen. Eine mündliche Ablehnung ist unwirksam, ebenso wie die Ablehnung durch Fax oder E-Mail.
- Liegt innerhalb der gesetzlichen Frist keine Einigung oder Ablehnung bezüglich des Arbeitszeitwunsches vor, wird die Zustimmung des Arbeitgebers zu dem Antrag des Arbeitnehmers fingiert.
Ist ein Begehren nach § 15 BEEG oder § 8 TzBfG günstiger?
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Elternteilzeit vorliegen, kann sich der Arbeitnehmer gleichwohl aussuchen, ob er sein Begehren nach § 15 BEEG oder § 8 TzBfG stellt. Der Vorteil der Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG liegt darin, dass das Teilzeitbegehren nicht befristet ist. Hier ist aber zu beachten, dass der befristete Teilzeitanspruch nach dem BEEG für den Arbeitnehmer wesentlich günstiger ausgestaltet ist. Für die Ablehnung eines Teilzeitverlangens nach § 8 TzBfG reichen bereits betriebliche Gründe aus, wohingegen für die Ablehnung nach BEEG dringende betriebliche Gründe erforderlich sind.
§ 9 a TzBfG
Arbeitnehmer können nach § 9a TzBfG für einen bestimmten Zeitraum in Teilzeit zu arbeiten, ohne befürchten zu müssen, auf unbestimmte Zeit in Teilzeit zu arbeiten. Im Großen und Ganzen entsprechen die Voraussetzungen denen des § 8 TzBfG.
Anders ist allerdings, daß der Anspruch auf begrenzte Teilzeit nach § 9a Abs. 1 Satz 1 TzBfG voraussetzt, dass der Arbeitgeber in seinem Unternehmen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs i. d. R. mehr als 45 Arbeitnehmer – pro Kopf – beschäftigt.
Der Teilzeitzeitraum muss mindestens 1 Jahr und darf höchstens 5 Jahre betragen. Durch diese zeitliche Begrenzung wird Arbeitnehmern und Arbeitgebern Planungssicherheit gegeben.
Weitere Teilzeitansprüche:
Neben § 15 Abs. 6 und 7 kann ein schwerbehinderter Arbeitnehmer einen Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 SGB IX (Förderung von Teilzeit bei schwerbehinderten Menschen) geltend machen. Bei Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes ist ferner § 11 TVöD/TV-L zu wählen, wenn der Wunsch besteht, zunächst eine Teilzeitarbeit mit weniger als 15 Stunden aufzunehmen.
Was ist bei einem Teilzeitbegehren generell zu berücksichtigen?
Aus meiner anwaltlichen Praxis habe ich feststellen müssen, dass ein richtig gestelltes Teilzeitbegehren, für den juristisch nicht geschulten Arbeitnehmer, sehr schwierig darzustellen ist. Die meisten Mandanten, die mit einem bereits gestellten Teilzeitbegehren, welches sie sich als Formular „aus dem Internet heruntergeladen“ haben, in meine Kanzlei kamen, hatten eben wegen dieses Teilzeitbegehrens Probleme. Bei einem Teilzeitbegehren geht es nicht nur darum, sich überhaupt erst einmal zu entscheiden, nach welcher Vorschrift dieses Begehren gestellt werden soll. Es sind auch Formalien zu beachten, die von Nichtjuristen regelmäßig übersehen werden. Häufig besteht meine Tätigkeit dann darin, erst einmal die bereits verursachten Fehler wieder auszubügeln. Es ist daher immer am sinnvollsten, ein Teilzeitbegehren von Anfang an in fachmännische Hände zu legen und einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen.
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Haben Sie Fragen zu dem Thema Teilzeitbegehren, beraten wir Sie hierzu gerne.
Die Verfallsregel § 7 Abs. 3 Satz. 3 BurlGverstößt gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und ist somit unwirksam. Entgegen Ihrer Auffassung geht es nämlich nicht nur um Arbeitnehmer, bei denen das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der EuGH am 20.01.2009 (RS C 350/06 und C 520/06) entschieden, dass auch Arbeitnehmer, die ihren Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen können, Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 BUrlG haben. Entgegenstehende Regelungen z.B. im Bundesurlaubsgesetz (und damit auch Urteile) verstossen gegen die Urlaubsrichtlinie, so der EuGH. Nach Ansicht des Gerichtshofs verstößt es gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nach deutschem Recht verfällt, wenn er krankheitsbedingt seinen Urlaub nicht antreten kann. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während des gesamten vom Staat festgelegten Bezugszeitraums oder nur zum Teil krank gewesen sei. Der Gerichtshof vertrat die Meinung, dass einer solchen nationalen Regelung die Richtlinie 2003/88/EG entgegensteht, nach der jedem Arbeitnehmer ausnahmslos ein Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen zustehen müsse.
Zwar könnten die Mitgliedstaaten für die Ausübung des vierwöchigen Mindesturlaubs Modalitäten vorsehen, die auch den Anspruchsverlust am Ende eines Bezugs- oder eines Übertragungszeitraums beinhalten könnten. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der vom Erlöschen des Urlaubs betroffene Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, den Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. Ist ein Arbeitnehmer wie mein Mandant während des gesamten Bezugszeitraums und über den Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben, hatte er zu keiner Zeit die Möglichkeit, bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen.
Da es die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, die Entstehung eines allen Arbeitnehmern zuerkannten Mindestanspruchs auszuschließen, kann es sich hinsichtlich des Erlöschens des Anspruchs nicht anders verhalten.
Das gleiche müsse laut EuGH gelten, wenn der Arbeitnehmer nur während eines Teils des Bezugszeitraums gearbeitet habe, bevor er krankgeschrieben worden sei. Denn jeder Arbeitnehmer, der wegen einer langen Krankheit nicht in den Genuss einer Zeit bezahlten Jahresurlaubs gekommen sei, befinde sich unabhängig davon, ob er teilweise gearbeitet habe oder nicht, in der selben Situation, da für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei, dass er arbeitsunfähig werden würde.
7 Abs. 3 BUrlG, der ebenfalls eine Verfallsregelung enthält, jedenfalls aber seine Handhabung durch die Rechtsprechung verstößt damit gegen europäisches Recht.
Europarechtswidrig ist nämlich die Bestimmung in § 7 Abs. 3 Satz. 3 BurlG, nach der auch bei krankheitsbedingter Urlaubsübertragung der übertragene Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. In diesem Fall nämlich verfällt der Resturlaub aus krankheitsbedingten Gründen, d.h. ohne dass der Arbeitnehmer hierauf Einfluss nehmen kann. Dem stehen die Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG entgegen. Die Regelung des TVöD unterscheidet sich nur graduell von § 7 Abs. 3 Satz. 3 BurlG und ist daher ebenso nicht mit der Richtlinie 2003/88/EG in Einklang zu bringen.
Aufgrund dessen ist durch Regelungen des nationalen Rechts weitergehend auch sicherzustellen, dass ein länger erkrankter Arbeitnehmer die Abgeltung seines – möglicherweise aus mehreren Jahren stammenden bzw. jahrelang nicht genommenen – Resturlaubs verlangen kann.
Das LAG Düsseldorf, das dem EuGH den Fall Schultz-Hoff zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte, hat in dem Vorlagefall ein Urteil gefällt und entschieden, dass dem Kläger rund 12.000 EUR als Urlaubsabgeltung zustünden.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass wenn länger erkrankte Arbeitnehmer, so wie mein Mandant, wieder auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren, ihnen stehen aufgrund der Entscheidung des EuGH oftmals erhebliche Resturlaubsansprüche zu.
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Haben Sie Fragen zu dem Thema Urlaub, beraten wir Sie hierzu gerne.
Die Voraussetzungen des Anspruchs auf das Zeugnis wie z.B. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen. Davon ist zu unterscheiden, wer die Richtigkeit des Zeugnisses vortragen muss. Nach der Rechtsprechung ist die Zeugniserteilung auch im Falle einer Berichtigung als Erfüllungseinwand des Arbeitgebers anzusehen, so dass den Arbeitgeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast trifft. Dies hat das BAG bereits vor 30 Jahren entschieden ( BAG AP Nr. 1 zu § 73 HGB ) und im Einklang mit den Instanzgerichten ( LAG Köln JurBüro 1992, 24 = AnwBl 1992, 496. ) in späteren Urteilen durchgängig bestätigt ( BAG AP Nr. 12 zu § 630 BGB u. Urt. v. 23.09.1992 – 5 AZR 597/91 ). Diese – zutreffende – Ansicht wird dadurch begründet, dass es von Gesetzes wegen keinen Zeugnisberichtigungsanspruch gibt und der Arbeitnehmer, der die Korrektur seines Zeugnisses verlangt, in Wahrheit einen Erfüllungsanspruch auf Erteilung eines richtigen Zeugnisses geltend macht ( BAG a.a.O. Fn. 2; LAG Hamm NZA-RR 2003, 71 ) .Will der Arbeitnehmer eine bessere Beurteilung also eine »gute« oder »sehr« gute Note bekommen, wechselt die Darlegungs- und Beweislast getreu dem Grundsatz, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen vortragen muss, auf den Arbeitnehmer ( Erfk-Müller-Glöge § 630 BGB Rz. 154 ).Bewertet der Arbeitgeber dagegen die Leistungen des Arbeitnehmers als unterdurchschnittlich, hat er dies vorzutragen und zu beweisen (BAG a.a.O. Fn. 2; LAG Hamm NZA-RR 2003, 71).
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Erfolgloser Eilantrag zur Außervollzugsetzung der „einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht“ (Immunitätsnachweis gegen COVID-19) nach § 20a IfSG
Folgenabwägung
GG Art 2 Abs 1, GG Art 2 Abs 2 S 1, GG Art 12 Abs 1, GG Art 103 Abs 2, BVerfGG § 32 Abs 1, Art 1 Nr 4 COV19VorschrÄnd/ImpfPrävStärkG, Art 1 Nr 9 Buchst a DBuchst aa Nr 7e COV19VorschrÄnd/ImpfPrävStärkG, Art 1 Nr 9 Buchst a DBuchst aa Nr 7f COV19VorschrÄnd/ImpfPrävStärkG, Art 1 Nr 9 Buchst a DBuchst aa Nr 7g COV19VorschrÄnd/ImpfPrävStärkG, Art 1 Nr 9 Buchst a DBuchst aa Nr 7h COV19VorschrÄnd/ImpfPrävStärkG, IfSG § 20a, IfSG § 73 Abs 1a Nr 7e, IfSG § 73 Abs 1a Nr 7f, IfSG § 73 Abs 1a Nr 7g, IfSG § 73 Abs 1a Nr 7h, SchAusnahmV
Leitsatz nicht vorhanden
BVerfG Beschluss v. 10.02.2022 – 1 BvR 2649/21 – ECLI:DE:BVerfG:2022:rs20220210.1bvr264921
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
1
Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die mit Art. 1 Nr. 4 und 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl I S. 5162) mit Wirkung zum 12. Dezember 2021 in das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) neu eingefügten § 20a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG, mit denen eine einrichtungs- und unternehmensbezogene Pflicht zum Nachweis einer Impfung, Genesung oder Kontraindikation sowie verschiedene Bußgeldtatbestände eingeführt wurden (so genannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“).
I.
2
- Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG müssen die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätigen Personen ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben sie daher der Leitung der Einrichtung oder des Unternehmens einen Impf- oder Genesenennachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG). Der Impf- oder Genesenennachweis muss den Anforderungen des § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vom 8. Mai 2021 – SchAusnahmV, BAnz AT 08.05.2021 V1, zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022, BAnz AT 14.01.2022 V1) in ihrer jeweils geltenden Fassung entsprechen, wobei die Verordnung ihrerseits zur Konkretisierung der Anforderungen an den Nachweis auf die auf den Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts veröffentlichten Vorgaben verweist.
3
Wird bis zum 15. März 2022 kein Nachweis vorgelegt oder bestehen Zweifel an seiner Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG). Dieses kann gegenüber Personen, die trotz Anforderung keinen Nachweis innerhalb angemessener Frist vorlegen, ein Betretungsverbot oder auch ein Tätigkeitsverbot verfügen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG). Personen, die erst ab dem 16. März 2022 in den genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden sollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt werden noch tätig werden (vgl. § 20a Abs. 3 Sätze 4 und 5 IfSG). Nachweise, die ab dem 16. März 2022 durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit durch einen neuen Nachweis ersetzt werden (vgl. § 20a Abs. 4 Satz 1 IfSG). Verschiedene Regelungen des § 20a IfSG sind bußgeldbewehrt (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG). § 20a IfSG und die zugehörigen Bußgeldregelungen treten zum 1. Januar 2023 außer Kraft.
4
- Die meisten Beschwerdeführenden sind in den von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen und Unternehmen selbständig, angestellt oder verbeamtet tätig. Sie sind überwiegend ungeimpft oder lehnen jedenfalls weitere Impfungen ab; einige waren bereits an COVID-19 erkrankt. Weitere Beschwerdeführende sind Leiter einer Einrichtung oder eines Unternehmens im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG, die als Arbeitgeber weiterhin ungeimpfte Personen beschäftigen wollen. Die übrigen Beschwerdeführenden befinden sich bei ungeimpften Ärzten, Zahnärzten oder sonstigen medizinischen Dienstleistern in Behandlung.
5
- Die Beschwerdeführenden rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 und 7, Art. 19 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 2 und 5 GG.
6
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren sie, den Vollzug des § 20a IfSG sowie des § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG vorläufig auszusetzen. Ihre Verfassungsbeschwerde sei offensichtlich erfolgversprechend. Jedenfalls falle eine gebotene Folgenabwägung zu ihren Gunsten aus. Hätte die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache Erfolg, würde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aber abgelehnt, seien ernstzunehmende Impfnebenwirkungen und Impfschäden infolge der unumkehrbaren Impfung zu befürchten. Zahnärzte und Ärzte müssten „um ihre berufliche Existenz bangen“. Eine Abweisung des Eilantrags führe zu massiven, irreparablen Grundrechtsverstößen. Würde demgegenüber die einstweilige Anordnung erlassen, ohne dass die Verfassungsbeschwerde später Erfolg hätte, seien die als vulnerabel eingestuften Personengruppen nicht in einem Maße gefährdet, dass dies die Ablehnung der beantragten Eilanordnung rechtfertigen könnte.
7
- Die Verfassungsbeschwerde nebst Eilantrag ist dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, dem Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Gesundheit sowie allen Landesregierungen mit Sachfragen zur Stellungnahme zugeleitet worden. Zu den Sachfragen wurde auf der Grundlage von § 27a BVerfGG auch der Bundesärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie e.V., dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e.V., der Gesellschaft für Virologie e.V., dem Paul-Ehrlich-Institut, dem Robert Koch-Institut und dem Verein der Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V. sowie – ohne dass diese sich geäußert hätten – dem Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie e.V., dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
8
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.
9
- Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
10
- a) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache zu entscheidende Verfassungsbeschwerde erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 143, 65 ≪87 Rn. 34 f.≫; 157, 394 ≪401 Rn. 19≫w.N.; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 157, 332 ≪377 Rn. 73≫; 157, 394 ≪401 f. Rn. 19≫, jeweils m.w.N.; stRspr).
11
- b) Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, gelten dafür besonders hohe Hürden (vgl. BVerfGE 140, 99 ≪106 f. Rn. 12≫; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt (vgl. zuletzt BVerfGE 157, 332 ≪374 Rn. 67≫; 157, 394 ≪402 Rn. 20≫; stRspr). Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie, wenn beantragt ist, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, darüber hinaus ganz besonderes Gewicht haben und in Ausmaß und Schwere deutlich die Nachteile überwiegen, die im Falle der vorläufigen Außerkraftsetzung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. BVerfGE 122, 342 ≪361 f.≫; 157, 332 ≪374 Rn. 67≫w.N.; stRspr). Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind, um das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen. In die Folgenabwägung sind auch die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen einzubeziehen und nicht nur diejenigen für die Beschwerdeführenden selbst. Stehen die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüber, verbietet es die mit Blick auf die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) notwendige Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht setzt ein Gesetz also nur dann nach § 32 BVerfGG vorläufig außer Vollzug, wenn die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung deutlich überwiegen (vgl. BVerfGE 157, 394 ≪402 f. Rn. 20≫ m.w.N.; stRspr).
12
- Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde ist zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (a). Die danach gebotene Folgenabwägung ergibt jedoch, dass die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, nicht gegenüber den Nachteilen überwiegen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (b).
13
- a) Die Verfassungsbeschwerde vieler Beschwerdeführender ist, jedenfalls soweit eine Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2 GG gerügt wird, nicht von vornherein unzulässig.
14
Sie ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 ≪22, 25 ff.≫). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.
15
- b) Die danach gebotene Folgenabwägung rechtfertigt aber nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
16
- aa) Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, sind die eintretenden Nachteile, die sich aus der Anwendung der angegriffenen Regelungen ergeben, von besonderem Gewicht. Kommen Betroffene der ihnen in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG auferlegten Nachweispflicht nach und willigen in eine Impfung ein, löst dies körperliche Reaktionen aus und kann ihr körperliches Wohlbefinden jedenfalls vorübergehend beeinträchtigen. Im Einzelfall können auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können (vgl. Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 7. Februar 2022 – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2021 – S. 5, 8 f., 28 ff.). Eine erfolgte Impfung ist auch im Falle eines Erfolgs der Verfassungsbeschwerde irreversibel.
17
Allerdings verlangt das Gesetz den Betroffenen nicht unausweichlich ab, sich impfen zu lassen. Für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, kann dies zwar vorübergehend mit einem Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein. Dass die in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise eintretenden beruflichen Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind oder sonst sehr schwer wiegen, haben die Beschwerdeführenden jedoch nicht dargelegt; dies ist auch sonst – jedenfalls für den genannten Zeitraum – nicht ersichtlich. Wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, sind daneben grundsätzlich nicht geeignet, die Aussetzung der Anwendung von Normen zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2022 – 1 BvR 2380/21 u.a. -, Rn. 39 m.w.N.).
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- bb) Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, sind die Nachteile, die sich aus der Nichtanwendung der angegriffenen Regelungen ergeben, ebenfalls von besonderem Gewicht. Hochaltrige Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen, einem geschwächten Immunsystem oder mit Behinderungen (vulnerable Gruppen) wären dann in der Zeit bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einer deutlich größeren Gefahr ausgesetzt, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu infizieren und deshalb schwer oder gar tödlich zu erkranken. Nach der weitgehend übereinstimmenden Einschätzung der in diesem Verfahren angehörten sachkundigen Dritten ist nach wie vor – auch mit Blick auf die Omikronvariante des Virus – sowohl davon auszugehen, dass sich Angehörige vulnerabler Gruppen grundsätzlich leichter infizieren, weil bei ihnen – auch im Falle einer Impfung – ein von vornherein reduzierter und im Laufe der Zeit schneller abnehmender Immunschutz besteht, als auch, dass sie im Falle einer Infektion ein erhöhtes Risiko haben, schwer oder gar tödlich zu erkranken.
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Nach der weitgehend übereinstimmenden Einschätzung der angehörten sachkundigen Dritten ist zudem davon auszugehen, dass COVID-19-Impfungen einen relevanten – wenngleich mit der Zeit deutlich nachlassenden – Schutz vor einer Infektion auch mit der Omikronvariante des Virus bewirken. Würde die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht nun vorläufig außer Vollzug gesetzt, ginge dies aber mit einer geringeren Impfquote in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen und damit einer erhöhten Gefahr einher, dass sich die dort Tätigen infizieren und sie dann das Virus auf vulnerable Personen übertragen. In der Folge müsste damit gerechnet werden, dass sich auch in der begrenzten Zeit bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mehr Menschen, die den vulnerablen Gruppen zuzurechnen sind, irreversibel mit dem Virus infizieren, schwer an COVID-19 erkranken oder gar versterben, als wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen würde.
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- cc) Die hier den Beschwerdeführenden drohenden Nachteile überwiegen in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere nicht diejenigen Nachteile, die bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der angegriffenen Regelung für vulnerable Personen zu besorgen wären.
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Gelten die angegriffenen Regelungen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, müssen die von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Personen – vorbehaltlich einer Genesung oder Kontraindikation – zwar bis zum 15. März 2022 über einen hinreichenden Impfschutz verfügen. Trotz der Irreversibilität der Impfung werden den Betroffenen damit aber keine derart hohen Gesundheitsrisiken auferlegt, dass sie im Rahmen einer Folgenabwägung deutlich die Risiken, die für vulnerable Personen entstehen, überwiegen. Schwerwiegende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen, die über die durch die Verabreichung des Impfstoffes induzierte Immunantwort hinausgehen, sind nach derzeitigem Kenntnisstand sehr selten (vgl. Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 7. Februar 2022 – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2021 – S. 4). Sie werden zudem insbesondere vom Paul-Ehrlich-Institut fortlaufend beobachtet und evaluiert. Ungeachtet dessen bleibt es den von der Nachweispflicht betroffenen Personen unbenommen, sich gegen eine Impfung zu entscheiden. Zwar gehen damit berufliche Nachteile einher. Dass diese schon in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache irreversibel oder nur erschwert revidierbar wären oder sonst sehr schwer wögen, ist aber nicht zu besorgen.
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Vor diesem Hintergrund überwiegen letztlich die Nachteile, mit denen bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der angegriffenen Regelung für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen wäre. Nach wie vor ist die Pandemie durch eine besondere Infektionsdynamik mit hohen Fallzahlen geprägt, mit der eine große Infektionswahrscheinlichkeit und dadurch ein entsprechend hohes Gefährdungspotential für vulnerable Personen einhergeht. Für diese ist auch im Hinblick auf die Omikronvariante des Virus weiterhin eine möglichst frühzeitige Unterbrechung von Übertragungsketten besonders wichtig, zu der ausweislich der weitgehend übereinstimmenden Stellungnahmen der angehörten sachkundigen Dritten eine COVID-19-Impfung in einem relevanten Maß beitragen kann. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich vulnerable Personen grundsätzlich nur eingeschränkt selbst gegen eine Infektion schützen können und sie zudem auf die Inanspruchnahme der Leistungen, die die der Gesundheit und Pflege dienenden Einrichtungen und Unternehmen im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erbringen, ganz überwiegend angewiesen sind. Da insoweit typischerweise essentielle menschliche Grundbedürfnisse betroffen sind, können sie einem Kontakt mit den in solchen Einrichtungen und Unternehmen Tätigen kaum ausweichen. In der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist daher bei Erlass der einstweiligen Anordnung zu erwarten, dass der weitgehend nicht vermeidbare Kontakt vulnerabler Gruppen mit Personen ohne Impfschutz die Zahl der – insofern irreversiblen – Infektionen mit schwerem oder sogar tödlichem Krankheitsverlauf erhöht.
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Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber. Bei der Folgenabwägung der jeweils zu erwartenden Nachteile muss daher das Interesse der Beschwerdeführenden zurücktreten, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde weiterhin ungeimpft in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen tätig sein zu können.
Schadensersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarung(en)
- Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige, von erreichten Zielen abhängige variable Vergütung zugesagt, ist zwischen Zielvereinbarungen und Zielvorgaben zu unterscheiden. Bei Zielvereinbarungen werden die Ziele, von deren Erreichen die variable Vergütung abhängt, von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festgelegt. Demgegenüber werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315I BGB eingeräumt ist. Ob das eine oder das andere gewollt ist, ist durch Auslegung der vertraglichen Abrede zu ermitteln (Rn. 37, 38).
- Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, für eine Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, kann dies nach Ablauf der Zielperiode einen Schadensersatzanspruch nach § 280I, III BGB iVm § 283 S. 1 BGB auslösen. Eine Festlegung von Zielen für eine vergangene Zielperiode ist nicht mehr möglich, es tritt Unmöglichkeit im Sinne von § 275 I BGB ein (Rn. 44, 45, 46).
- Sofern ein Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt hat, ist die bei Zielerreichung zugesagte variable Vergütung für eine abstrakte Schadensberechnung nach § 252S. 2 BGB Grundlage zur Ermittlung des durch den Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens (Rn. 52).
- Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte. Soweit besondere Umstände diese Annahme ausschließen, obliegt es dem Arbeitgeber, diese darzutun und gegebenenfalls zu beweisen (Rn. 53).
- Bei Zielvereinbarungen ist – anders als bei Zielvorgaben – die Festlegung der Ziele nicht allein Aufgabe des Arbeitgebers. Vielmehr bedarf es der Mitwirkung des Arbeitnehmers. Sofern allein aus dem Verschulden des Arbeitnehmers eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, verletzt dieser eine vertragliche Nebenpflicht und hat weder einen Anspruch auf die variable Vergütung noch einen entsprechenden Schadensersatzanspruch (Rn. 59).
- Haben die Vertragsparteien keine alleinige Pflicht des Arbeitgebers vereinbart, die Verhandlungen über die Zielvereinbarung einzuleiten, bedeutet dies bei einer nicht zustande gekommenen Zielvereinbarung nicht stets, dass nur der Arbeitgeber die Initiative zu ergreifen und ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über mögliche Ziele und deren Gewichtung anzuberaumen hat. Unter solchen Umständen muss auch der Arbeitnehmer tätig werden. Dabei reicht es allerdings aus, wenn er den Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zielvereinbarung auffordert (Rn. 61).
- Kommt eine Zielvereinbarung aus Gründen nicht zustande, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, ist das Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254BGB angemessen zu berücksichtigen (Rn. 62).
Ein schuldhafter Verstoß des Arbeitgebers gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Bonuszahlung geknüpft ist, löst jedenfalls nach Ablauf der Zielperiode nach § 280 I, III BGB iVm § 283 S. 1 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus.
BAG, Urt. v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 (LAG Hessen, Urt. v. 22.11.2019 – 14 Sa 1378/18)